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Am 30.06.2022 versammelten wir uns, eine Gruppe kafkaliebender Studierender, in den frühen Morgenstunden am Busbahnhof in Jena, um zu einer mehrtägigen Exkursion nach Prag aufzubrechen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Dirk von Petersdorff wollten wir im Rahmen des Seminars Erzählen im frühen 20. Jahrhundert: Franz Kafka und Thomas Mann die „goldene Stadt“ auf den Spuren Franz Kafkas erkunden. Denn obwohl Kafka, wie bekannt, seine Werke in deutscher Sprache verfasste, lebte er Zeit seines Lebens in der tschechischen Hauptstadt – sein „Mütterchen mit Krallen“.
Bevor es nach Prag gehen sollte, führte uns ein kurzer Abstecher in die Dresdner Gemäldegalerie „Alte Meister“. Hier hatten vor allem die kunstbegeisterten Studierenden einen interessanten Einstieg in die Reise, denn bei einer zweistündigen Führung durch die Galerie im Semperbau bewunderten wir neben Gemälden von Rembrandt, Tizian und van Dyck auch Liotards „Schokoladenmädchen“ und Raffaels „Sixtinische Madonna“.
In Prag schließlich angekommen, brachen wir sogleich zu einer Erkundungstour in Richtung der „Prager Burg“ auf. Nach gefühlten zweitausend Stufen (und einem Sauerstoffzelt später) war die ganze Gruppe auf dem Berg des Hradschin angekommen. Der mühevolle Aufstieg sollte belohnt werden, denn von oben hatten wir einen weitläufigen Blick über das sonnenbeschienene Prag. Nach diesem kräftezehrenden Erlebnis saßen wir abschließend bei einem gemeinsamen Abendessen in einer Prager Lokalität beieinander. Eine unbezahlte Ente sorgte zunächst für einen ersten Aufruhr, dann für eine heitere Stimmung am Abend und hier nun für eine witzige Erzählung.
Der nächste Tag erwies sich für uns Kafka-Fans als eine Freude. Unter der Leitung der tschechischen Übersetzerin Věra Koubová besuchten wir bei einem ausgedehnten Spaziergang unter anderem Kafkas – leider nicht original erhaltenes, sondern nur rekonstruiertes – Geburtshaus in der heutigen Rathausgasse, sein späteres Wohnhaus „Minutá“ am Altstädter Ring und die Čechbrücke, welche vermutlich die Vorlage für die Erzählung „Das Urteil“ bildet. Frau Koubová trug zur allgemeinen Begeisterung bei, indem sie aus Briefen des jungen Schriftstellers vorlas und mittels kleiner „Schauspiele“ (uns wurde spontan die Rolle der Akteure zugetragen) spannende Anekdoten erzählte. Unter kollektivem Erstaunen lernten wir, dass Kafka nicht nur ein ausgezeichneter Schwimmer war, sondern auch ein Ruderboot besaß – von ihm auf den Namen „Rudi“ getauft. Am späten Nachmittag besichtigten wir – bestens informiert durch das Referat einer Kommilitonin – zwei Synagogen sowie den alten jüdischen Friedhof im ehemals jüdischen Viertel Prags.
Auch der folgende Tag hielt einige spannende Programmpunkte bereit. Nach einem stärkenden Frühstück erklommen wir als wissbegierige Gruppe erneut die schier unendliche Treppe hinauf zur Prager Burg, wo uns bereits unsere Stadtführerin erwartete. Im Schatten des mächtigen Veitsdoms lernten wir, dass die Bezeichnung Prags als „goldene Stadt“ auf Kaiser Karl IV. zurückgeht, der die Türme der Prager Burg vergolden ließ. Um später den Wachwechsel zur vollen Stunde zu beobachten, nahm die sonst eher gemütliche Studierenden-Gruppe sogar ein höheres Tempo auf. Während des Abstiegs warfen wir schließlich noch einen Blick in die Alchimistengasse. Dort mietete Kafka einst ein kleines mittelalterliches Häuschen, in dem einige seiner schönsten Texte entstanden, etwa „Ein Landarzt“ oder „Auf der Galerie“ (genauer nachzulesen in Klaus Wagenbachs Kafkas Prag. Ein Reiselesebuch).
Wer noch nicht genug von Kafka hatte, konnte am Nachmittag das Kafka-Museum besuchen, welches das Leben und Wirken Franz Kafkas zeigt. Neben zahlreichen Bildern sind dort vor allem handschriftliche Fragmente aus dem berühmten „Brief an den Vater“ ausgestellt. Um das Lebensgefühl Kafkas in Gänze zu erleben, brach eine kleine Gruppe nach dem Museumsbesuch ins Café „Montmartre“ auf; ein kleiner Schatz in einer weniger belebten Seitenstraße Prags.
Viel zu schnell kam der Tag der Abreise. Die letzten Ziele wurden erkundet, die letzten Fotos gemacht, dann ging es zurück in heimatliche Gefilde. Abschließend ist wohl zu sagen, dass Kafka vermutlich nie in Gänze verstanden werden kann, aber wir wagen zu behaupten, dass wir durch die Berührung mit seinen Wirkstätten in der tschechischen Hauptstadt und durch die zahlreichen Eindrücke seinem Werk ein Stück näher gekommen sind. Wir danken Herrn von Petersdorff, Heike Mecke und Celine Kögler für die Planung dieser überaus gelungenen Exkursion!
Paulina Ebmeier & Marcel Paul