Max Brod und sein Nachlass
Max Brod, geboren 1884 in Prag, 1968 in Tel Aviv gestorben, wird heute vorwiegend mit der Persönlichkeit und dem Schaffen von Franz Kafka assoziiert; seine Rolle als Nachlassverwalter für Franz Kafka, dessen Manuskripte er unter abenteuerlichen Bedingungen am Vorabend der Besetzung Prags durch die Nazis retten konnte, ist hinlänglich bekannt. Allerdings betätigte sich Brod bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs selbst höchst erfolgreich als Schriftsteller, Publizist, Komponist sowie als Vermittler zwischen jüdischen und nicht-jüdischen, deutschsprachigen und tschechischsprachigen Akteurinnen und Akteuren im kulturellen Feld. Auch die Bedeutung seiner öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit als Essayist, Übersetzer, Literatur- und Musikkritiker, Journalist und Feuilletonist in zahlreichen deutschsprachigen Periodika gilt es in den übergreifenden Zusammenhängen erst offenzulegen und philologisch wie konzeptuell zu erfassen.
Auf beispiellose Weise war er in literarische, künstlerische, intellektuelle und politische Kontexte eingebunden und zwar in maßgeblich internationalem Ausmaß, über Prag und die wichtigen mitteleuropäischen Zentren hinaus. Aktiv in vielfältige Vermittlungsprozesse zwischen den Kulturen involviert, partizipierte er an wichtigen zeitgenössischen intellektuellen Debatten, in deren Zentrum insbesondere kulturkritische Fragen standen, die bei ihm häufig eine kulturzionistische Wendung erfuhren und auf eine Erneuerung des Judentums zielten. Mit Monografien wie Heidentum – Christentum – Judentum (1921) aber auch mit Aufsätzen in Zeitschriften wie Selbstwehr, Der Jude oder Die Aktion prägte er Diskurse um Kultur, Kulturpolitik, Gemeinschaft und Judentum und somit einen wesentlichen Resonanzraum der zeitgenössischen Literatur in entscheidender Weise mit.
Die kulturpolitische Vermittlungstätigkeit konnte Brod im Exil in Palästina bzw. seiner zweiten Heimat Israel fortsetzen. Dabei stand er mit wichtigen Vertretern/-innen des früheren Prager Kulturlebens in Verbindung (wie Hugo Bergmann, Johannes Urzidil, Willy Haas, Felix Weltsch, Franz Werfel sowie mit den Nachfahren der Familie Kafka) und hielt als wichtiger Literatur- und Kulturvermittler weltweit Kontakt zu einer Vielzahl von Autoren/-innen und Künstlern/-innen (u. a. der Familie Mann, Arthur Schnitzler, Stefan Zweig).
Aufgrund der langen Unverfügbarkeit seines Nachlasses bleiben wichtige unveröffentlichte Quellen unerforscht, die für kulturhistorische, kulturpolitische und diskurshistorische Rekonstruktionen sowie auch für kulturpoetische Fragestellungen von zentraler Bedeutung sind, und zwar über den engeren Fokus auf das eigene Schaffen von Brod weit hinaus. Zu diesen Quellen gehören seine Tagebücher ebenso wie seine umfassende Korrespondenz und seine Notizen.
Nach längeren rechtlichen Auseinandersetzungen befindet sich der Nachlass aus Max Brods ‚Privatarchiv‘ nun in der Israelischen Nationalbibliothek (NLI)Externer Link.