Wernigerode ist ein schönes Städtchen im Harz - es gibt dort ein märchenhaftes Schloss, gemütliche Cafés am Markt, einen Ratskeller und mindestens einen guten Italiener, wo die Speisen sehr gut sind. Und wenn man zur Zeit der Rosen- und Lindenblüte dort spazieren geht, bieten die alten Fachwerkbauten eine allerschönste, duftige Kulisse. Das erfuhren und erlebten wir, als wir vergangenen Freitag in einer Gruppe von vierzehn Studentinnen und Studenten der Germanistik mit Professor Dirk von Petersdorff im Rahmen unseres Heinrich-Heine-Seminars dort unsere Exkursion zu Heines Harzreise starteten.
Immer auf Heines Spuren und mit den gelben Reclam-Heften in den Taschen, bestiegen wir, als Herzstück unserer Reise, samstags den Brocken, den höchsten Berg in Norddeutschland.
Die Berge wurden hier noch steiler, die Tannenwälder wogten unten wie ein grünes Meer, und am blauen Himmel oben schifften die weißen Wolken. Die Wildheit der Gegend war durch ihre Einheit und Einfachheit gleichsam gezähmt. (aus: Heinrich Heine – Die Harzreise)
Zunächst, wenn man an der Ilse, der 'lachenden und blühenden Prinzessin' auf schmalem Pfad entlangwandert, kann man sich noch gut in Heines Fußstapfen wähnen und sich recht literarisch fühlen. Schnell aber überlagern sich die Eindrücke, der enge Pfad weitet sich zur Straße und spätestens ab dem betonierten Kolonnenweg ist‘s aus mit der Romantik. Damit aber wird die Wanderung auf den Brocken zur historischen Erfahrung, denn die anfängliche Idylle, die Dampflokomotive der Brockenbahn, der vom Borkenkäfer zerfressene Wald, die Betonplatten, die Wetterstation auf dem Gipfel und die ehemaligen Abhöranlagen liefern einen ungeschönten Eindruck der Geschichte, die auch diesen Berg gezeichnet hat und die sich nicht wegdenken lässt.
Mit hochroten Köpfen gingen wir steil bergan und trotz schweren Atems setzte der beständige Redefluss nie aus, der, seit wir in Jena in den Bus gestiegen waren, niemals abebbte – so ist das wohl, wenn lauter Gleichgesinnte aufeinandertreffen.
Ein abschließendes Highlight stellte der sonntägliche Ausflug nach Quedlinburg dar: Eine besinnliche Erfahrung war es, im Hoken, einer Gasse hinterm Rathaus, sich bei erstaunlich guter Akustik Passagen aus der Harzreise vorzulesen. Die wildgelockte Gästeführerin war, ob unseres Nachbohrens zur Kunst des Fachwerkbaus, mindestens ebenso begeistert, wie wir von ihren lebhaften Erzählungen. Und als es zurück nach Jena ging, war es dann zum ersten Mal erstaunlich ruhig im Bus, so müde und angefüllt waren wir vom ganzen Wochenende.
Und sicherlich ging es uns in der folgenden Nacht wie Heine, wenn er schreibt: "Ich war müde wie ein Hund und schlief wie ein Gott."
(Bericht von Sophie Albrecht und Tobias Hohberg)